Die Gaza Monologe

Anhang I: Auszug aus den Gaza-Monologen

Aus dem Arabischen von Ibrahim Marazka

Tamer (geb. 1993, männlich) - Asch-Scheich Radwan

«Gaza ist ein Streichholzbriefchen, und wir sind ihre Hölzer.»

Als der Krieg ausbrach, fokussierten sich alle Medien auf uns. Al-Jazeera, Al-Arabiyya und alle Sat-Sender konzentrierten ihre Programme auf uns. Die Besatzung auch.. die wollte uns nicht loslassen. Alle Welt sprach über Gaza. Plötzlich schreibt Al-Jazeera [auf dem Bildschirm] Sondermeldung: „Muhammad ist zum Märtyrer gefallen...“ und diese Meldung war nicht nomal, weil dieser Muhammad der Bruder meiner

Mutter war. Zum ersten Mal erfahre ich, wie das Heulen von der Live-Übertragung im Fernsehen ins Haus umschaltet. Schreierei, Heulen, Tränen.. Alles mischte sich zusammen. Vom Haus schaltet es sich dann zur Nachbarschaft um. Meine Mutter verlor das Bewusstsein. Nach wenigen Minuten rief uns der andere Onkel an, und wollte gerade erzählen, dass Mohammed, sein Bruder, mein Onkel, zum Märtyrer gefallen ist. Er wusste nicht, dass die ganze Welt schon davon erfahren hat. Fernsehen ist wahrhaft magisch. Bevor man eine Verletzung erleidet, sogar wenn die Kugel auf ihrem Weg zu seiner Brust fliegt, wird das schon übertragen sein.

Aber so ist es halt, alle Sender haben nichts zu tun.. Sie beten Gott an, dass noch ein Gaza-Krieg ausbricht, damit sie Arbeit kriegen. Wie auch immer.. Wir alle beweinten den Onkel, erinnerten uns an ihn, und erzählten Geschichten über ihn. So ging es für einige Zeit. Allmählich hat diese Rede abgenommen, weil der Tod in Gaza normal wurde und mehr als man besprechen konnte.

Nach dem Krieg ist mir alles gleichgültig, ob ich lebe oder sterbe. Nach all dem, was wir im Krieg erlebten, ist mir alles egal. Ich denke, der Tag, an dem ich noch am Leben bin, das ist einer extra.. ein Luxus, weil ich in jedem Moment im Krieg sterben könnte.

Wisst ihr? Dieses Land ekelt mich an, obwohl ich es liebe. Und die Menschen langweilen mich. Manchmal denke ich, ich kenne die 1.5 Millionen, die in Gaza leben. Nichts Neues. Der gleiche Tag wiederholt sich immer wieder. Ich möchte gerne in den Urlaub fahren, andere Landschaften und andere Menschen kennenlernen.

Wenn ich morgens aufstehe, mache ich die Haustür auf, und da steht mir der Strommast ins Gesicht. Ich wünsche mir, eines morgens aufzustehen und da ist er verschwunden. Jeden Tag steht Abu Ibrahim am Eingang des Lebensmittelladens. Abed mit dem Turmus-Wagen, verkauft seine Ware. Abu el-Abed sitzend am Eingang seines Hauses, hat Angst, dass das Haus ihm wegläuft. Umm Ibrahim lästert mit Umm

Hassan. Und die Taxifahrer.. die kenn‘ ich alle beim Namen. Ich weiss, wer zur Stadt fährt und wer zum Strand. Es macht verrückt.

Der einzige Unterschied in meinem Leben macht diese Theaterstunde. Sie wurde zu meiner Hauptbeschäftigung.

Ich warte darauf ungeduldig. Ohne das Theater wäre man tatsächlich verrückt geworden. Ich träume davon, wenn ich älter werde, ein bekannter Schauspieler zu werden. Seit meiner Kindheit liebe ich das Schauspielen. Aber alle Gruppen, die ich besucht habe, als ich noch jünger war, haben mich nach paar Tagen weggeschmissen. Dies Mal ist‘s anders.»