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Theater-Studium mit Bachelor-Abschluss in Palästina geplant – Palästinensische deutsche Zusammenarbeit

Das Ministerium für Erziehung in Palästina hat jetzt einen  Bachelor-Studiengang für Theater  am Dar Al Kalima University College of Arts and Culture  in Bethlehem  genehmigt. Damit ist diese Hochschule die erste Bildungsinstitution, die in Palästina „Theater“ als akademischen Studiengang anbieten wird.

Das Curriculum für diesen Studiengang entstand in Zusammenarbeit mit der Hochschule Osnabrück, dem Institut für Theaterpädagogik in Lingen. Klaus Hoffmann, Theaterwissenschaftler und –pädagoge, Vorsitzender des Arbeitskreises Kirche und Theater in der EKD und früherer Leiter des Zentrums für Medien, Kunst, Kultur im Haus Kirchlicher Dienste der Ev.-Lutherischen Landeskirche Hannovers hatte 2010 die neue Hochschule  in Bethlehem besucht und mit dem Präsidenten  Dr. Mitri Raheb , Pfarrer der ev.-lutherischen Weihnachtskirche in Bethlehem eine Zusammenarbeit und einen Austausch verabredet. Hoffmann gewann den Theaterwissenschaftler Andreas Poppe vom Lingener Institut für Theaterpädagogik zur Mitarbeit. Ein Austausch von Studierenden und Lehrenden entstand.  6 Jahre später nun wird das Studienfach „Theater“ realisiert.

Zugleich gründete Klaus Hoffmann ein Netzwerk „Palästinensischer Deutscher Dialog über Theater und Theaterpädagogik“ mit allen wichtigen Theatern in Palästina und interessierten deutschen Theatern und Theatermachern. Daran beteiligen sich z.B. das Ashtar Theatre aus Ramallah, das Freedom Theatre aus Jenin, das Diyar Dance Theatre, Bethlehem, das Yes Theatre, Hebron, das Al Harah Theatre, Beit Jala, das Inad Theatre, Beit Jala, sowie die Universität Bethlehem mit dem Institut Children Drama Education, das GoetheInstitut in Ramallah. Aus Deutschland kommen Theatermacher, - wissenschaftler und -pädagogen  von  Hochschulen aus Hannover, Hildesheim, Braunschweig, Berlin, Dortmund und Greifswald sowie Vertreter der Verbände der Theaterpädagogen, dem Schultheater, dem Amateurtheater oder vom Jungen Schauspiel Hannover, Frankfurt und Essen.

In einem Internet Portal www.masrah-theater.net werden Informationen seit 2013 ausgetauscht und jährlich treffen sich die Theater in Palästina oder Deutschland zur Planung der Zusammenarbeit und  dem Austausch.

Bei einer Informationsreise der Niedersächsischen Ministerin Gabriele Heinen-Kljajic nach Israel und in die Palästinensischen Gebiete mit Präsidenten und Professoren niedersächsischer Hochschulen, die in Palästina kooperieren, besuchte sie am 3. Nov. 2016 auch das Dar Al Kalima University College in Bethlehem und informierte sich. Klaus Hoffmann und Andreas Poppe stellten mit Pfarrer Mitri Raheb das Theaterprojekt vor (siehe Foto).

Das Dar Al Kalima University College ist eine ökumenisch-orientierte Institution, die der Lutherischen Kirche im Jordan und Heiligen Land nahesteht, aber der gesamten palästinensischen Gemeinschaft dienen will. Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, Religionen und sozialem Hintergrund treffen sich  und tauschen sich aus. Christen und Muslime studieren hier zu gleichen Teilen. Dies fördert Toleranz gegenüber anderem Glauben, anderer Herkunft und anderen Meinungen.

Ausgerechnet in einem Land wie Palästina kann Theater eines der wichtigsten Ausdrucksmittel des kulturellen und demokratischen Lebens sein. Theater ist  auch eine intellektuelle Herausforderung für die Gesellschaft, sowie ein Raum, in dem Meinungsfreiheit und kritisches Denken gefördert werden. Mitri Raheb sagte: „Oft treffe ich Leute und Spender, die denken, dass Theater ein Luxus in diesem Kontext ist, den sich die Palästinenser nicht leisten können. Unsere Tragödie ist, dass unser Kampf oft eher als humanitäre Krise statt als etwas bezeichnet wird, dass mit Identität und Selbstbestimmung zu tun hat. Aber Menschen „sollen nicht vom Brot allein“ leben. Theater ist eins der wichtigsten Mittel zum Überleben… Theater ist die Kunst Akteur zu werden statt nur Zuschauer. Es ist die Kunst das Leben zu feiern, das noch immer von den Kräften des Todes und der Unterdrückung beherrscht wird, es ist die Kunst, kreativ und ohne Gewalt Widerstand zu leisten.“

Die palästinensische Gesellschaft ist jung, mehr als 50% in der West Bank (ca. 2,5 Mill) ist unter 19 Jahre alt, im Gazastreifen sogar unter 15 Jahren. Das Theaternetzwerk  „Dialog über Theater und Theaterpädagogik“, das ebenfalls in Bethlehem tagte, beschloß  im nächsten Jahr das Thema  „ Theater und  Schule“  zu bearbeiten. Die gestalterischen, konstruktiven Potentiale des Theaters scheinen  in der Lage zu sein,  destruktive soziale und psychische Zustände zu überwinden , was gerade für Kinder und Jugendliche wichtig ist, die in Krisensituationen und unter schwierigen sozialen Bedingungen aufwachsen. Kinder und Jugendliche leiden in ganz besonderem Maße unter gesellschaftlichen Mißständen, kriegerischen Auseinandersetzungen und Unterdrückungen. Die zentralen Fragen werden sein, wie kann die Kraft des Theaters bei der Bewältigung von Konflikten und Problemen, bei der persönlichen und gesellschaftlichen Entwicklung wirksam werden. Welche ästhetischen und methodischen Erfahrungen haben Theatermacher und TheaterpädagogInnen in den verschiedenen Ländern gemacht, welche Wirksamkeit und Nachhaltigkeit können beobachtet werden, und wie kann das Recht der Kinder und Jugendlichen auf Kunst in unseren Gesellschaften verwirklicht werden.

Klaus Hoffmann

Niedersächsische Delegation in Bethlehem: Von der Mitte nach rechts: Ministerin Heinen-.Kljajic, Hannover,  Rev. Mitri Raheb, Präsident des Dar Al Kalima University College, Bethlehem, Klaus Hoffmann, Vorsitzender des Arbeitskreises Kirche und Theater in der EKD, Andreas Poppe, Institut für Theaterpädagogik, Lingen (Foto von Tamara Musleh, Dar Al Kalima University College)

Niedersächsische Delegation in Bethlehem: Von der Mitte nach rechts: Ministerin Heinen-.Kljajic, Hannover,  Rev. Mitri Raheb, Präsident des Dar Al Kalima University College, Bethlehem, Klaus Hoffmann, Vorsitzender des Arbeitskreises Kirche und Theater in der EKD, Andreas Poppe, Institut für Theaterpädagogik, Lingen

(Foto von Tamara Musleh, Dar Al Kalima University College)

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