4. Konferenz in Lingen 2014

Begrüßung und Einführung ins Programm

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ich begrüße Sie zur 4. Konferenz unseres Palästinensischen Deutschen Dialogs über Theater und Theaterpädagogik. Besonders freue ich mich, dass Sie aus Palästina gekommen sind, wo die Spirale der Gewalt sich immer schneller dreht, wo die ungerechten kollektiven Vergeltungsschläge auch die Zivilbevölkerung bedrohen und die humanitäre Lage katastrophal ist und die aggressive Siedlungspolitik weitergeht.

Seien Sie willkommen. Wir fordern, einen Stopp dieses Krieges und verlangen Verhandlungen für einen gerechten Frieden .Mit Ihrem Einsatz für Kultur angesichts dieses Terrors zeigen Sie beispielhaft: „ wer nach einer Verständigung über Kultur sucht, fragt auch nach neuen Möglichkeiten der Weltgestaltung, hat Lust auf Innovation und hält nach einer menschenfreundlicheren Welt Ausschau (Räume der Begegnung. Religion und Kultur in evangelischer Perspektive. Eine Denkschrift. 2002). Wir wollen hier auch nach einer menschenfreundlicheren Welt Ausschau halten und neue Möglichkeiten der Weltgestaltung durchspielen.

Diesmal hat unsere Konferenz das Thema „Theater mit Kindern“ und findet in einem großen internationalen Kontext statt, dem WeltkindertheaterFest, an dem sich 18 Länder mit ihren Kindertheatern beteiligen. Bei dieser Begegnung zeigen uns die Kinder, welche Welt sie sich wünschen. Wir brauchen solche Begegnungen, um neue Einsichten und ungewohnte Perspektiven zu gewinnen, um feste Gewohnheiten und Strukturen in Frage zu stellen und eine Kultur der wechselseitigen Wahrnehmung zu entwickeln, und um Anerkennung des anderen zu lernen, statt angstbesetzt uns von dem Fremden und den Differenzen abzusetzen.

Wir haben das Thema „Theater mit Kindern“ auch gewählt, weil die palästinensische Gesellschaft eine junge Gesellschaft ist. Über die Hälfte der Palästinensischen Bevölkerung ist unter 19 Jahre alt. Deshalb ist Theater mit Kindern und Jugendlichen ein wichtiges Thema. Unsere Konferenz geht von der These aus, dass die gestalterischen, konstruktiven Potentiale des Theaters in der Lage sind, destruktive soziale und psychische Zustände zu überwinden und gerade für Kinder wichtig sind, die in Krisensituationen und unter schwierigen sozialen Bedingungen aufwachsen. Kinder leiden in ganz besonderem Maße unter gesellschaftlichen Missständen, kriegerischen Auseinandersetzungen und Unterdrückungen.

Unsere zentralen Fragen sind, wie kann die Kraft des Theaters bei der Bewältigung von Konflikten und Problemen, bei der gesellschaftlichen und persönlichen Entwicklung wirksam werden. Welche ästhetischen und methodischen Erfahrungen haben Theatermacher und Theaterpädagogen in den verschiedenen Ländern gemacht, welche Wirksamkeit und Nachhaltigkeit können beobachtet werden und wie kann das Recht der Kinder auf Kunst in unseren Gesellschaften realisiert werden und eine Teilhabe der Kinder am Theaterspielen verwirklicht werden. Dazu werden wir mit Rundgesprächen und Impulsreferaten, vor allem aber auch mit der kritischen Betrachtung ausgewählter Theaterproduktionen aus aller Welt und Spielleitergesprächen den Lebensperspektiven der Darstellenden Künste nachgehen. Einen wichtigen teil der Diskussionen wird auch der Aufbau von Strukturen und Kooperationen in Palästina und zwischen palästinensischen und deutschen Theatermachern und Theaterpädagogen zur Qualifizierung, zur politischen Durchsetzung und öffentlichen Akzeptanz des Theaters mit Kindern.

Kultur, insbesondere Theater, hat mit Selbstbestimmung zu tun. Sie ist die Grundlage, um auszudrücken, wer man ist und zu kommunizieren, wer man sein möchte. Kultur ist der Platz, wo wir bestimmen, wer wir sind, wenn wir uns selbst definieren und nicht durch andere definiert werden. Außerdem ist Kultur auch eine wichtige Brücke zwischen Palästina und dem Rest der Welt. Anderen zu begegnen ist immer auch wichtig, um sich selbst verstehen zu können.

Mit unserem Projekt wollen und können wir keine fremden Probleme lösen. Aber wir können lokale Theaterarbeit unterstützen, wir können Künstler gezielt fördern, für Aus- und Fortbildung eintreten, Curricula-Bildung beraten, Fachlichkeit fördern und beim Aufbau von Infrastrukturen und öffentlicher Unterstützung helfen und politische Diskussionen intensivieren.

Zwei Veranstalter des Palästinensischen Deutschen Dialogs haben eine Nähe zur evangelischen Kirche, der Arbeitskreis Kirche und Theater in der Evangelischen Kirche in Deutschland und das Dar Al Kalima University College for Arts and Culture in Bethlehem, das von der lutherischen Kirche gefördert wird. Beide Institutionen betreiben kulturelle Bildungsarbeit, die christlich motiviert und theologisch reflektiert ist, obwohl sie bewusst interkulturell und mit Menschen anderen Glaubens zusammenarbeiten. In der Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland haben wir gefordert, die Foren zu stärken, die sich mit kulturellen Phänomenen befassen: „ eine plurale Gesellschaft mit ihren offenen Strukturen der Sinndeutung braucht Räume der Begegnung, des Austausches und der Inspiration… Das müssen Räume der Gastfreundschaft sein, die von einem professionellen Kulturmanagement gestaltet sind und nicht den Eindruck einer Instrumentualisierung von Kunst und Kultur hinterlassen. Vorrangig sollen Veranstaltungen gefördert werden, die Begegnungen inszenieren. Die Kirche präsentiert sich dabei in einer Moderatorenrolle, die wissbegierig und respektvoll die Sinndeutungsmuster dieser Zeit wahrnimmt, ihnen eine diskursoffene Sprache verleiht und sich um eine inspirierende Atmosphäre des Gesprächs bemüht.“ Es geht uns um die unverstellte gemeinsame Wahrnehmung von Wirklichkeit und um die suche nach Wahrheit, bei der wir von einander lernen und überraschende Entdeckungen machen können.

Beide Institutionen haben eine besondere Nähe zu den lutherischen Kirchen und sehen sich in einer reformatorischen Tradition: ihre kulturelle Bildung und auch die Theaterarbeit lebt in der Spannung zwischen dem göttlichen Zuspruch der Lebensfülle (Jh.10,10) und dem Zustand einer Welt, die von Unterdrückung und Zerstörung bedroht ist. Diese Kulturarbeit ist ein immer neuer Versuch, Menschen zu unterstützen und zu ermutigen, sich aus allem zu befreien, was lebensverneinend wirkt. Eine andere Welt ist nicht nur nötig, sondern ist auch möglich. Zugleich hat der Mensch als „Bild Gottes“ (Gen. 1,27) eine unveräußerliche Würde und Wert, deren Schutz allen Menschen aufgetragen ist. „Auf dass wir Leben haben und das in Fülle“ (Joh, 10,10) könnte das Motto der Theaterarbeit sein. Es fordert heraus, Veränderungen in der Gesellschaft zu bewirken. Theater ist da ein wichtiges Ausdrucksmittel des kulturellen und demokratischen Lebens, eine intellektuelle Herausforderung für die Gesellschaft, sowie ein Raum, in dem Meinungsfreiheit und kritisches Denken gefördert werden können.

Ich hoffe, dass unsere Konferenz auch dazu beitragen kann und danke den Förderern unserer Begegnung, insbesondere Brot für die Welt-Ev. Entwicklungsdienst, der Hanns-Liljestiftung der Ev. Landeskirche Hannover und dem Bundesjugenministerium Deutschlands.

Klaus Hoffmann - 4. Konferenz des Palästinensischen Deutschen Dialogs über Theater und Theaterpädagogik zum Thema „Theater mit Kindern“ vom 25. Juli bis 2. August 2014 in Lingen